Unser Körper ist wirklich ein Wunderwerk. Normalerweise funktioniert er perfekt, ohne dass wir es merken oder dies aktiv steuern müssen. Erst wenn an einer Stelle etwas aus der Balance gekommen ist, merken wir, wie wichtig jedes einzelne kleine Teil unseres Körpers im Zusammenspiel ist. Diese Körperintelligenz möchte ich in diesem Artikel etwas näher beleuchten. Denn wenn wir uns ihrer bewusst sind, kann sie uns im Trainingsalltag sehr gut unterstützen.
Das reibungslose Zusammenspiel vieler Einzelteile
In der Regel sind wir sehr daran gewöhnt, unseren Körper „nicht“ zu spüren. Wenn das so ist, läuft alles rund. Jedes einzelne Teil erfüllt seine Aufgabe und trägt damit zum Funktionieren des Ganzen bei.
Dass dies gar nicht so selbstverständlich ist, merken wir erst, wenn ein Teil ausfällt. Körperbereiche, die wir normalerweise gar nicht wahrnehmen, treten auf diese Weise ins Zentrum unseres Bewusstseins.
Durch eine kleine Unachtsamkeit habe ich mir einmal den kleinen Zeh gebrochen. Bis dahin war mir natürlich klar, dass ich an jedem Fuß 5 Zehen habe und der äußerste davon eben der kleine Zeh ist. Was dieser jedoch genau tut, war mir nie bewusst. Erst, als er nun völlig außer Gefecht war und seine Aufgaben nicht mehr erfüllen konnte, wurde mir klar, wie wichtig er ist. Jedenfalls konnte ich eine ganze Weile nur noch humpeln.
Ein anderes Beispiel kennst du bestimmt auch. Wenn wir etwas intensiver eine neue, bisher ungewohnte Bewegung ausführen, kommt es gerne zu Muskelkater. Dieser trifft vor allem Muskeln, die sonst im Alltag oder beim gewohnten Training nicht sehr stark genutzt werden. Ich habe schon manches Mal gestaunt, wo es überall Muskeln gibt, die im Spezialfall eine wichtige Aufgabe übernehmen können. Vorher hatte ich sie nie wahrgenommen. Trotzdem wirken sie natürlich auch unbemerkt an unseren Bewegungen mit.
Ein paar für uns Sportler besonders wichtige Bereiche der Körperintelligenz möchte ich dir noch etwas mehr näher bringen.
Das Vegetative Nervensystem Tag und Nacht im Einsatz
Das Vegetative Nervensystem wird auch als Autonomes Nervensystem bezeichnet. Das bringt bereits zum Ausdruck, dass es unabhängig, selbständig, eben autonom arbeitet. Wir können es in seinen Funktionen nicht steuern und das ist auch gut so.
Denn es reguliert vor allem unsere lebenserhaltenden Funktionen. Stell dir vor, du müsstest aktiv entscheiden, wie schnell dein Herz gerade schlagen soll oder wie tief und in welcher Frequenz du atmen musst, um genügend Sauerstoff zu erhalten.
Auch z.B. Reflexe sind eine sehr sinnvolle Einrichtung unseres Körpers. Heute müssen wir zwar nicht mehr befürchten, dass hinter uns ein Säbelzahntiger um die Ecke kommt. Für solche Ereignisse hat die Natur Reflexe und reflexartige Reaktionen unter anderem eingerichtet.
Dieser Schutzmechanismus ist jedoch auch heute noch sehr sinnvoll. Manchmal haben wir einfach nicht die Zeit, uns eine Lösung bzw. eine geeignete Reaktionsform zu überlegen und diese dann bewusst umzusetzen.
Vor allem in Notsituationen, z.B. bei einem Unfall, können wir froh sein, dass unsere Körperintelligenz uns Entscheidungen abnimmt und uns so das Überleben oder zumindest die gute Bewältigung einer Krisensituation ermöglicht.
Dieser kleine Einblick in die Bedeutung des Vegetativen Nervensystems zeigt für mich einen wesentlichen Teil unserer Körperintelligenz. Wir können uns auf sie verlassen, auch ohne dass sich unsere Verstandesintelligenz einmischt.
Homöostase als Ausgleichfunktion
Ein weiteres Beispiel für Körperintelligenz ist das Prinzip der Homöostase. Mineralstoffe müssen z.B. in den Zellen und im Blut jeweils in einer ganz bestimmten für den Körper optimalen Konzentration vorhanden sein.
Nehmen wir z.B. Eisen. Sowohl in den Zellen als auch im Blut gibt es eine bestimmte Menge an Eisenmolekülen. Entscheidend ist dabei das Verhältnis zwischen der Konzentration innerhalb und außerhalb der Zellen.
Wenn die Konzentration in der Zelle nun abnimmt, scheidet der Körper so lange Eisen aus dem Blut aus, bis die Konzentration sich der in den Zellen wieder angepasst hat. Das Verhältnis ist nun wieder gleich. Die Homöostase ist wieder hergestellt.
Dieses Beispiel zeigt im übrigen, dass es bei einem niedrigen Eisenspiegel im Blut nur kurzfristig sinnvoll ist, Eisen nachzufüllen. Solange es nicht gelingt, Eisenmoleküle auch in die Zellen hineinzubringen, wird der erhöhte Eisenspiegel im Blut immer wieder durch die Homöostase ausgeglichen werden.
Unser Körper funktioniert am besten, wenn wir von allen Nährstoffen genügend haben, nicht zu wenig, aber auch nicht zu viel. Ein Zuviel wird meistens gleich wieder ausgeschieden. Mit dem Prinzip der Homöostase sorgt unsere Körperintelligenz dafür, dass möglichst die optimalen Lebensbedingungen immer wieder einreguliert werden.
Superkompensation für den Trainingseffekt
Auch in unserem Trainingsalltag gibt es eine Funktion, die ich sehr intelligent von unserem Körper finde. Es ist die „Superkompensation“, die für die Trainingseffekte verantwortlich ist.
Nach einem Training sind viele unserer Energiespeicher leer, weil unser Körper ihren Inhalt verbraucht hat. Ähnlich wie bei der Homöostase bemüht sich unser Körper, möglichst rasch alle Speicher wieder aufzufüllen. Superkompensation bedeutet jedoch, dass die Vorratskammern nicht nur auf den Stand vor dem Training gebracht, sondern noch etwas mehr gefüllt werden.
Das ist doch wirklich großartig! So haben wir beim nächsten Training mehr Energie zur Verfügung. Die einzige Bedingung, damit wir den vollen Nutzen aus diesem Prinzip der Superkompensation ziehen können, ist eine ausreichende, aber auch nicht zu lange Erholungsphase. Auf diese Weise können sich alle unsere Energiespeicher optimal füllen und sind beim nächsten Training auch noch gefüllt.
Wenn wir unser Training klug planen oder intuitiv gut auf unseren Körper hören, können wir bei kontinuierlichem Training immer länger und auch schneller laufen, je nach Trainingsreiz. Wir Läufer haben also der Körperintelligenz viel zu verdanken.
Heilungsmechanismen
Ein weiterer Bereich, wo wir unsere Körperintelligenz vertrauen und sehr gut beobachten können, sind die Heilungsmechanismen z.B. bei Verletzungen. Besonders gut sichtbar ist das bei Verletzungen der Haut.
Wir können beobachten, wie sich auf der Wunde ein Schorf bildet. In den nächsten Tagen ist spürbar, dass sich unter diesem Schorf etwas tut und unser Körper an der Heilung arbeitet. Schon bald wird die Wundstelle immer kleiner und eine neue Haut zunächst ganz zart und rosa sichtbar. Und es dauert gar nicht lange, bis die Wunde ganz vergessen ist.
Instinkt für die optimale Nahrung
Noch einen weiteren Bereich möchte ich erwähnen, der normalerweise durch unsere Körperintelligenz gesteuert wird.
Damit unser Körper optimal funktioniert, braucht er bestimmte Nährstoffe. Ursprünglich hatten wir Menschen genau wie die Tiere in freier Wildbahn einen gesunden Instinkt dafür, was wir essen müssen. Der Körper verlangt eigentlich genau nach dem, was gerade fehlt und was ergänzt werden muss.
Unsere Lebensweise hat leider dazu geführt, dass wir das nicht mehr richtig wahrnehmen. Unser Essverhalten ist vielfach von der Werbung und einfach der Lust, etwas Bestimmtes zu essen, geprägt. Das, was wirklich gebraucht wird, kommt oftmals zu kurz. Wir haben den Instinkt dafür verloren.
Gewichtsprobleme resultieren häufig daraus, dass wir überwiegend „leere“ Kalorien zu uns nehmen. Unser Körper wird dadurch nicht genährt. Das, was er eigentlich braucht und durch ein Hungergefühl angefordert hat, bekommt er nicht. Deshalb meldet er sich sehr schnell wieder mit einem erneuten Hungergefühl. Die Lücke in der Nährstoffversorgung soll ja geschlossen werden.
Dies kann zu einem Kreislauf werden. Gegessen wird zwar immer mehr. Innerlich „verhungert“ unser Körper trotzdem, weil ihm ständig etwas fehlt.
Eigenerfahrungen zum instinktiven Essen
Ich habe die Erfahrung gemacht, dass Zeiten in denen ich weniger esse, die natürlichen Instinkte für die richtige Nahrung wieder wecken können. Ein paar Tage fasten können da Wunder wirken.
Es muss aber gar nicht eine vollständige Fastenkur sein. Auf meiner Wanderung von München nach Venedig habe ich die Erfahrung machen dürfen, wie mein Körper funktioniert, wenn es mal nicht dauernd etwas zum Essen gibt.
Da ich vegan und glutenfrei essend unterwegs war, hatte ich auf den Hütten nur ein eingeschränktes Angebot. Das Frühstück fiel für mich dort z.B. komplett aus. Dafür hatte ich immer ein paar Früchte, Trockenfrüchte und Nüsse in meinem Rucksack.
Am Morgen, bevor ich jeweils losgelaufen bin, gab es deshalb einfach eine Frucht und ein paar Nüsse oder ein paar Trockenfrüchte und Nüsse. Damit konnte ich loslaufen. Nach ca. 2,5 Stunden meldete sich mein Körper und verlangte Nachschub. Mit wiederum einigen Trockenfrüchten und Nüssen oder einem selbstgemachten Riegel mit vielen Nährstoffen ging es weiter.
Im Laufe der Tage lernte ich meinen Körper immer besser kennen. Ich konnte genau spüren, wann sozusagen der Treibstoff ausgeht.
Rückblickend habe ich festgestellt, dass ich mengenmäßig und im Verhältnis zu dem, was ich in den 24 Tagen körperlich geleistet habe, sehr wenig gegessen habe. Trotzdem hatte ich ganz offensichtlich immer ausreichend Nährstoffe. Denn ich war jeden Tag sehr leistungsfähig, hatte nie ein Tief und konnte die ganze wundervolle Alpenüberquerung in vollen Zügen genießen.
Körperintelligenz im Trainingsalltag
Nach meiner Erfahrung ist Lauftraining oft viel zu kopflastig. Dazu übernehmen heute oft Laufuhren, Tracker, Fitness-Apps und Computerprogramme die Trainingsplanung und -begleitung.
Eigentlich haben wir mit unserer Körperintelligenz den allerbesten Trainingsbegleiter immer bei uns. Vielleicht müssen wir wieder mehr lernen, sie zu verstehen. Im nächsten Artikel soll es genau darum gehen. Wichtig war mir heute, dir zu zeigen, wie intelligent unser Körper von Natur aus ist, ohne dass wir es richtig bemerken.
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