Heute möchte ich Dir zeigen, wie Du mit Tempoflextraining noch mehr Spaß am Laufen haben kannst und damit gleichzeitig Deine Leistungsfähigkeit steigerst.
Einheitstrott in der Komfortzone oder Leistungssteigerung
Wenn Du schon eine Weile regelmäßig läufst, hast Du wahrscheinlich bereits Deinen „Komfortbereich“ gefunden. An dieses Lauftempo hat sich Dein Körper gewöhnt und es strengt Dich nicht an, auch längere Zeit ohne besonderen Kraftaufwand in dieser Geschwindigkeit in Bewegung zu bleiben.
Es ist verführerisch, in diesem Tempo die vielen Trainingskilometer einfach abzuspulen, denn ein gewisses Wohlbefinden ist dabei garantiert. Und Dein Gewissen ist auch beruhigt, Du hast mit Deinem inneren Schweinehund einen guten Kompromiss gefunden und trotzdem alle in Deinem Trainingsplan geforderten Kilometer in den Beinen.
Leider führt diese Gewohnheit nach einiger Zeit dazu, dass Dein Körper auf diese Geschwindigkeit so programmiert ist, dass Du nicht mehr schneller wirst. Und wenn Du versuchst, etwas mehr Gas zu geben, scheint dies nur mit einem sehr großen Aufwand möglich zu sein. Dann ruft Dein innerer Schweinehund wieder „Halt, stopp – ich mag nicht so schnell, es war doch bisher so angenehm!“
Bereits vor einigen Jahren habe ich für mich das „Tempoflextraining“ nach Peter Greif entdeckt. Es wirkt dem immer gleichen Tempo entgegen und erschließt verschiedene Tempobereiche. Der Körper lernt dadurch, flexibel zu bleiben und sogar bei schon vorhandener Ermüdung noch schneller laufen zu können.
Das Schöne am Tempoflextraining ist, dass auch langsamer gelaufen wird. Jede Wiederholung beginnt subjektiv empfunden sehr langsam. Das erleichtert die Motivation für diese Trainingsform enorm. Ich habe es immer sehr gerne gemacht.
Welche Tempobereiche deckt das Tempoflextraining ab?
Ziel des Tempoflextrainings ist es, alle Tempobereiche rund um die angestrebte Wettkampfzeit abzudecken. Durch die genaue Berechnung gelingt dies sehr gut. Der bewusste sehr langsame Beginn des Trainings erscheint schon fast wie ein Schneckentempo. Aber nur dadurch ist es möglich, am Ende jedes Trainingsintervalls schneller zu laufen als das für den Wettkampf geplante Tempo.
Das Tempo variiert nicht nur innerhalb eines Intervalls sondern auch von Wiederholung zu Wiederholung. So wird das Anfangstempo jedes Mal langsamer, das Endtempo jedoch immer schneller. Auf diese Weise durchläufst Du während eines Tempoflextrainings sehr viele Tempobereiche.
Die Grundsätze des Tempoflextrainings
Dies sind die Grundsätze Deines Tempoflextrainings:
- Arbeite durch Tempovariationen dem Einheitstrott entgegen!
- Lege das Zieltempo für Deinen nächsten Lauf realistisch fest!
- Berechne aus der Zielzeit alle Zwischenzeiten!
- Lasse keinen Geschwindigkeitsbereich weg!
- Laufe den letzten Abschnitt jedes Intervalls grundsätzlich schneller als das geplante Durchschnittstempo im Rennen!
- Vermeide Überlastung!
Tempoflextraining – Wie geht das?
Das Tempoflextraining besteht aus einer bestimmten Anzahl von Wiederholungsläufen. Jeden dieser Wiederholungsläufe unterteilst Du in 5 Teilstücke. Über diese 5 Stufen steigerst Du in jedem Wiederholungslauf das Lauftempo. Bei allen Variationen wird immer in der 4. Stufe das geplante Wettkampftempo gelaufen.
Bei den ersten drei Stufen ist also das Tempo immer langsamer und in der 5. Stufe schneller als das Wettkampftempo.
Darüber hinaus beginnt jeder Wiederholungslauf mit einem anderen, noch langsamerem Tempo als der vorangegangene und endet mit einem schnelleren Tempo. Nur durch dieses langsame Anfangstempo ist ein schnelleres Endtempo möglich.
Wichtig ist außerdem beim Tempoflextraining, dass Du zwischen den Wiederholungsläufen genügend lange langsame Trabpausen zur Erholung einlegst. Dadurch können die durch die erhöhte Belastung entstandenen Säuren sofort abgebaut werden und sammeln sich nicht im Gewebe an. Dein Körper ist dann wieder bereit für die nächste Tempoflexwiederholung.
Auf diese Weise wird eine große Tempobreite rund um das geplante Renntempo trainiert und bei jedem Wiederholungslauf genau dann das höchste Tempo gelaufen, wenn bereits eine Ermüdung vorhanden ist. Wenn Du Dein Zieltempo realistisch einschätzt, schaffst Du das aber gut.
Drei Varianten des Tempoflextrainings haben sich sehr bewährt:
6 x 1’000 m mit Berechnung der Zielzeit aus dem Renntempo eines 3’000 m-Laufs
4 x 2’000 m mit Berechnung der Zielzeit aus dem Renntempo eines 5’000 m-Laufs
3 x 3’000 m mit Berechnung der Zielzeit aus dem Renntempo eines 10’000 m-Laufs
6 x 1’000 m
Bei der Variante 6 x 1’000 m läufst Du 5 dieser 1’000 m-Wiederholungen als Tempoflextraining und die 6. Wiederholung als Tempolauf im höchsten für Dich möglichen Tempo.
Für die Tempoflexwiederholungen unterteilst Du jede 1’000 m in 5 Abschnitte von 200 m. Aus Deinem 3’000 m Renntempo berechnest Du das Tempo für den 4. Abschnitt. Die anderen 200 m-Abschnitte berechnest Du folgendermaßen:
1. Wiederholung: 1.-3. Abschnitt jeweils 1 Sekunde langsamer als der folgende 200 m-Abschnitt + 5. Abschnitt 1 Sekunde schneller
2. Wiederholung: 1.-3. Abschnitt jeweils 2 Sekunden langsamer als der folgende 200 m-Abschnitt + 5. Abschnitt 2 Sekunden schneller
3. Wiederholung: 1.-3. Abschnitt jeweils 3 Sekunden langsamer als der folgende 200 m-Abschnitt + 5. Abschnitt 3 Sekunden schneller
4. Wiederholung: 1.-3. Abschnitt jeweils 4 Sekunden langsamer als der folgende 200 m-Abschnitt + 5. Abschnitt 4 Sekunden schneller
5. Wiederholung: 1.-3. Abschnitt jeweils 5 Sekunden langsamer als der folgende 200 m-Abschnitt + 5. Abschnitt 5 Sekunden schneller
Hier ein praktisches Beispiel:
3’000 m-Zielzeit: 15 Minuten
200 m-Abschnittszeit für den 4. Abschnitt:
15 Minuten = 900 Sekunden
900 Sekunden : 3’000 m x 200 m = 60 Sekunden
In allen 5 Wiederholungen läufst Du das 4. Teilstück also in 60 Sekunden. Die anderen Teilstücke haben folgende Laufzeiten:
1. – 200 m 2. – 200 m 3. – 200 m 4. – 200 m 5. – 200 m
- Wiederholung 63 sec 62 sec 61 sec 60 sec 59 sec
- Wiederholung 66 sec 64 sec 62 sec 60 sec 58 sec
- Wiederholung 69 sec 66 sec 63 sec 60 sec 57 sec
- Wiederholung 72 sec 68 sec 64 sec 60 sec 56 sec
- Wiederholung 75 sec 70 sec 65 sec 60 sec 55 sec
Kumuliert sehen die Zwischenzeiten folgendermaßen aus:
- Wiederholung 1:03 min 2:05 min 3:06 min 4:06 min 5:05 min
- Wiederholung 1:06 min 2:10 min 3:12 min 4:12 min 5:10 min
- Wiederholung 1:09 min 2:15 min 3:18 min 4:18 min 5:15 min
- Wiederholung 1:12 min 2:20 min 3:24 min 4:24 min 5:20 min
- Wiederholung 1:15 min 2:25 min 3:30 min 4:30 min 5:25 min
Trabpause nach jeder Wiederholung: 800 m
4 x 2’000 m
Bei dieser Variante unterteilst Du die einzelnen 2’000 m-Abschnitte in 400 m Teilstücke. Das 4. Teilstück aller Wiederholungen erhält die Durchschnittszeit Deiner 5’000 m-Zielzeit. Die 400 m-Abschnitte 1-3 läufst Du wieder langsamer und den 5. Abschnitt schneller und zwar
- Wiederholung: jeder Abschnitt 2 Sekunden langsamer als der folgende
- Wiederholung: jeder Abschnitt 4 Sekunden langsamer als der folgende
- Wiederholung: jeder Abschnitt 6 Sekunden langsamer als der folgende
- Wiederholung: jeder Abschnitt 8 Sekunden langsamer als der folgende
Auch für diese 2’000 m Variante gebe ich Dir ein Beispiel:
5’000 m Zielzeit: 25 Minuten
400 m-Abschnittszeit für den 4. Abschnitt:
25 Minuten = 1’500 Sekunden
1’500 Sekunden : 5’000 m x 400 m = 120 Sekunden = 2 Minuten
1. – 400 m 2. – 400 m 3. – 400 m 4. – 400 m 5. – 400 m
- Wiederholung 2:06 min 2:04 min 2:02 min 2:00 min 1:58 min
- Wiederholung 2:12 min 2:08 min 2:04 min 2:00 min 1:56 min
- Wiederholung 2:18 min 2:12 min 2:06 min 2:00 min 1:54 min
- Wiederholung 2:24 min 2:16 min 2:08 min 2:00 min 1:52 min
Kumuliert sind dies die Zwischenzeiten:
- Wiederholung 2:06 min 4:10 min 6:12 min 8:12 min 10:10 min
- Wiederholung 2:12 min 4:20 min 6:24 min 8:24 min 10:20 min
- Wiederholung 2:18 min 4:30 min 6:36 min 8:36 min 10:30 min
- Wiederholung 2:24 min 4:40 min 6:48 min 8:48 min 10:40 min
Trabpause nach jeder Wiederholung: 1’200 m
3 x 3’000 m
Die Wiederholungen dieser Einheit unterteilst Du in 600 m-Abschnitte. Das 4. Teilstück jeder Wiederholung erhält die Durchschnittszeit Deiner angestrebten 10 Kilometer-Zeit. Wiederum läufst Du die 600 m Teilstücke 1-3 langsamer und den 5. Abschnitt schneller. Dieses Mal wählst Du diese Abstufungen:
- Wiederholung: jeder Abschnitt 3 Sekunden langsamer als der folgende
- Wiederholung: jeder Abschnitt 6 Sekunden langsamer als der folgende
- Wiederholung: jeder Abschnitt 9 Sekunden langsamer als der folgende
Als Beispiel zeige ich Dir die 3 x 3’000 m-Variante für die 10 km-Zielzeit 45:00 Minuten.
10’000 m Zielzeit: 45 Minuten
600 m-Abschnittszeit für den 4. Abschnitt:
45 Minuten = 2’700 Sekunden
2’700 Sekunden : 10’000 m x 600 m = 162 Sekunden = 2:42 Minuten
1. – 600 m 2. – 600 m 3. – 600 m 4. – 600 m 5. – 600 m
- Wiederholung 2:51 min 2:48 min 2:45 min 2:42 min 2:39 min
- Wiederholung 3:00 min 2:54 min 2:48 min 2:42 min 2:36 min
- Wiederholung 3:09 min 3:00 min 2:51 min 2:42 min 2:33 min
Hier wieder die kumulierten Zeiten:
- Wiederholung 2:51 min 5:39 min 8:24 min 11:06 min 13:45 min
- Wiederholung 3:00 min 5:54 min 8:42 min 11:24 min 14:00 min
- Wiederholung 3:09 min 6:09 min 9:00 min 11:42 min 14:15 min
Trabpause nach jeder Wiederholung: 2’000 m
Zur Berechnung der Teilzeiten auf der Grundlage Deiner 10 km-Zeiten empfehle ich Dir den Tempoflexrechner von Peter Greif.
Welche Vorteile bringt mir ein Tempoflextraining?
Mit einem Tempoflextraining schulst Du hervorragend sowohl Deine Ausdauer als auch die Schnelligkeit. So kannst Du also gleich zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen.
Da bei unterschiedlichem Tempo verschiedene Muskelpartien zum Einsatz kommen, ergibt sich darüber hinaus ebenfalls ein Krafttraining für Deine gesamte Laufmuskulatur.
Tempoflextraining ist auch ein sehr gutes Koordinationstraining. Da kontrolliert in einer breiten Tempo-Range gelaufen wird, verhindert dies ein Durchschummeln durch koordinativ nicht beherrschte Tempobereiche, die in der Regel meist unbewusst vermieden werden. Stattdessen verbessert sich die Koordination zwischen allen am Laufen beteiligten Muskeln, Sehnen und Gelenken. Dies ist wiederum eine gute Verletzungsprophylaxe.
Die Erfahrung, selbst dann noch beschleunigen zu können, wenn Du bereits einige Zeit gelaufen bist und Dein innerer Schweinehund laut ruft „Ich bin müde!“, motiviert ungemein. Dieses Wissen lässt Dir in der zweiten Hälfte Deines Wettkampfes richtig Flügel wachsen.
Der langsame bis sogar sehr langsam erscheinende Beginn jeder Wiederholung fördert die Motivation für dieses Training. Du startest locker in jede Wiederholung mit dem guten Gefühl, das zu schaffen. Richtig hart wird es ja erst am Ende der Wiederholung und dann ist es auch schon bald geschafft.
Zudem bist Du bei diesem Training geistig sehr beschäftigt durch die unterschiedlichen Zwischenzeiten, die Du im Auge behalten musst. Ich finde das Tempoflextraining deshalb sehr kurzweilig. Die Durchführung fällt relativ leicht und nach diesem Training stellt sich ein tolles Wohlgefühl im Körper ein, das Gefühl und die Befriedigung ein echt gutes Training absolviert zu haben.
Nicht zuletzt trägt das Tempoflextraining zur Verletzungsprophylaxe bei, da es ein sehr kontrolliertes auf den eigenen Körper gut angepasstes Training ist. Im Gegensatz zum ebenfalls sehr leistungsfördernden Intervalltraining, bei dem es gleich schnell los geht, erhält Dein Körper beim Tempoflextraining die Zeit, um langsam in den Leistungsmodus hineinzukommen.
Da ich lange in einer Gegend gewohnt habe, wo oft die Straßen bis ins Frühjahr hinein mit Schnee- und Eisresten bedeckt waren, habe ich das Tempoflextraining gerne auch mal auf das Laufband verlegt. Die Geschwindigkeiten kannst Du aus Deiner Zielzeit ebenfalls ausrechnen. Und das Laufband erlaubt erst recht kein Umgehen von bestimmten Tempobereichen. So konnte ich für einen Marathon im April schnelle Trainingseinheiten machen, ohne durch die Rutschgefahr auf der Straße eine Verletzung zu riskieren.
Es hat also viele Vorteile, einmal in der Woche ein Tempoflextraining in den Trainingsplan einzubauen, nicht nur, um eine neue Bestzeit zu erreichen.
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